Im Jahr 2005 eskaliert die Gaming Szene völlig. Es ist endlich so weit, World of Warcraft erscheint und macht das Genre der MMOs zum absoluten Hit. Was bisher einigen Nerds vorenthalten war wird jetzt zum absoluten Kassenschlager mit Millionen Spielern. Es führt fast kein Weg an diesem Spiel vorbei, aber eben nur fast. Es muss Anfang 2005 gewesen sein, als ich noch jeden Monat die Bravo Screenfun gelesen habe. Dort befand sich in dieser Ausgabe neben einem WOW Artikel auch ein Bericht zu Guild Wars, das Spiel um das es hier gehen soll. Ich war sofort fasziniert von dem Spiel. Es dauerte dann aber noch bis zu meinem Geburtstag im Juni, bis ich es endlich in meinen Händen hielt.

Guild Wars Erster Screenshot Kriegerin

Das war der Anfang einer mehrere tausend Stunden langen Reise. Eine Reise zwischen unzähligen Erlebnissen an die ich mich immer noch gerne erinnere und der unglaublichen Verschwendung von Zeit in der ich alles außerhalb des Spiels vernachlässigt habe. Letztendlich überwiegt heute aber das positive, fast schon nostalgische Gefühl.

Was machte diese Faszination, nein diese Sucht aus? Was zog mich an diesem Spiel so in seinen Bann?

Nunja, zunächst machte Guild Wars einiges richtig um neben dem übermächtigen WOW bestehen zu können, woran etliche Spiele wie Everquest 2 und die ganzen WOW-Killer der nächsten Jahre scheiterten. Es war eben keine Kopie, sondern ging seinen eigenen Weg.

Ein paar Infos zum Spiel vorweg bevor wir richtig einsteigen. Guild Wars wurde vom amerikanischen Entwickler ArenaNet entwickelt und vom koreanischen Publisher NCsoft auf den Markt gebracht. Das Hauptspiel erschien am 28. April 2005 weltweit. Es folgten drei größere Erweiterungen in vergleichsweise kurzer Zeit.

Den Anfang machte am 28. April 2006, also genau ein Jahr nach erscheinen des Hauptspiels Guild Wars Factions, was euch auf einen asiatisch inspirierten Kontinent führt. Noch im selben Jahr am 27. Oktober folgte bereits Guild Wars Nightfall mit seiner Wüstenregion. Den Abschluss machte dann Guild Wars Eye of the North, was als Brücke zwischen Guild Wars und Guild Wars 2 dienen sollte. Eye of the North war auch die einzige Erweiterung die nicht eigenständig lief. Ihr braucht also das Hauptspiel oder eine der beiden vollwertigen Erweiterungen zum Spielen.

Der Fokus des Onlinerollenspiels lag im Gegensatz zur Konkurrenz stark auf dem kompetitiven Aspekt und somit auf dem PVP Teil. Aber auch im PVE ging das Spiel einen deutlich anderen Weg als andere MMOs. Ein weiterer großer Unterschied besteht darin, dass ihr Guild Wars ohne monatliche Gebühren spielen könnt.

Noch mehr Retrospektiven zu spannenden Games findet ihr hier: Retro Gaming

PVE

Quests

Zunächst ist Guild Wars gar kein klassisches MMORPG, weshalb ich anfangs nur von MMO sprach. Während ihr in anderen Spielen eine riesige Welt habt in der ihr jederzeit auf andere Spieler treffen könnt, um mit diesen auf die ein oder andere Weise zu interagieren, ist GW weitgehend instanziert. Es ist im PVE Modus mehr ein Koop Game. Ihr trefft andere Spiele nur in Städten und Außenposten. Hier wird gehandelt und ihr baut Gruppen von bis zu acht Spielern um Quests zu absolvieren. Auch diese sind anders als die üblichen „Sammle 20 hiervon“- und „Töte 10 davon“-Quests. Die Aufgaben sind sehr storylastig und abwechslungsreich, was der große Vorteil der Instanzierung ist.

Welt

Je nach Erweiterung erwarten euch unterschiedliche Geschichten in der Welt Tyria. Natürlich erwarten euch hier immer wieder neue Bedrohungen die es zu besiegen gilt. Zum Beispiel überrennen am Anfang des Ur Spiels die katzenartigen Wesen Charr das Königreich Ascalon und zerstören es vollständig. Ihr müsst die Widersacher mit euren Gefährten zurückschlagen und die restlichen Gebiete beschützen.

Die einzelnen Gebiete sind sehr schlauchig aufgebaut, hatten aber immer eine ganz eigene Faszination. Dabei möchte man immer wissen was sich hinter der nächsten Ecke verbirgt. Die Grafik ist natürlich mittlerweile hoffnungslos veraltet. Dafür sorgt der Soundtrack noch heute immer wieder für Gänsehaut wenn ich ihn an mache. Die Musik stammt von Jeremy Soule.

Geht das auch alleine?

Im Gegensatz zu späteren Genrevertretern seid ihr hier stark auf andere Mitspieler angewiesen. Es gibt zwar NPCs mit denen ihr eure Gruppe auffüllen könnt, diese sind aber strunzdumm und somit kein Ersatz zu echten Spielern. Diese Gruppensuche ging dabei meist angenehm schnell, da die Leute im selben Außenposten die selben Aufgaben wie ihr zu lösen hatten. Ihr musstet aber wirklich aktiv suchen, da kein Tool zur Unterstützung vorhanden ist. Da mittlerweile kaum noch etwas los ist im Spiel bleibt euch oft nichts anderes übrig als auf die NPC-Gefolgsleute zurück zu greifen.

Klassen und Skills

Die Klassen sind im großen Ganzen das was man in einer Fantasy Welt erwartet. Von Anfang an stehen Krieger, Waldläufer, Nekromant, Mesmer, Mönch und Elementarmagier. Mit späteren Erweiterungen kamen Assassine, Ritualist, Paragon und Derwisch dazu.

Besonders am Klassensystem ist die Möglichkeit eine Zweitklasse auszuwählen. Dabei dürft ihr alle Klassen miteinander kombinieren. Das führt dazu, dass die Möglichkeiten nahezu unbegrenzt sind. Ihr könnt auf sämtliche Attribute beider Klassen skillen, mit der Ausnahme des Primärattributs der Zweitklasse. Ein Axt schwingender Krieger, der auch heilen kann? Theoretisch kein Problem, auch wenn es mit den Jahren zu vielen kreativen Kombinationen kam funktionieren einige davon deutlich besser als andere.

Das Fertigkeitssystem sieht nur 8 Skills auf einmal vor, die ihr ausrüsten dürft. Dabei habt ihr die Auswahl aus hunderten Skills, was das Spiel extrem taktisch macht. Eine Gruppe muss genau aufeinander abgestimmt werden und bietet trotzdem unzählige Möglichkeiten der Charakter- und Gruppengestaltung. Von den acht Skills darf einer ein besonders starker Eliteskill eurer Primärklasse sein. Es entstanden auch hier über Jahre hinweg unzählige äußerst kreative Zusammenstellungen.

Das Maximallevel ist mit LVL20 vergleichsweise niedrig und wird auch entsprechend schnell erreicht. Das ist aber auch nicht schlimm, es geht in diesem Spiel eben mehr um den eigenen Skill der mit der Zeit wächst als der Charakter selbst. Die Spieler bekommen so eine einheitliche Basis und auch weniger aktive Mitstreiter kommen so besser voran im Spiel.

Das zeigt sich so auch bei den Items. Alle Waffenarten haben einen maximal Schaden. Jede Waffe für LVL20 Charaktere reizt das aus. Es gibt noch ein paar Upgrades, aber auch da findet ihr mehr als genug Zeug. Bei Rüstungen sieht es im Prinzip ganz genauso aus. Was hält die Leute also bei der Stange? Die Jagd nach seltenen Skins. Dabei wird elegant das Problem umgangen, dass die die am meisten Zeit investieren nur allein durch diesen Zeitaufwand die bessere Ausrüstung haben. Trotzdem haben diese Vielspieler eben die coolsten Skins. So bleibt es stets fair und motivierend.

Im PVE erhaltet ihr Skills für eure Primärklasse als Questbelohnungen, Eliteskills generell und Skills anderer Klassen müsst ihr von Bossenmonstern erbeuten. Was manchmal ganz schön schwierig wird, weil die jeweiligen Bosse am Ende der Welt stehen und ihr euch da erstmal hin kämpfen müsst. Außerdem sind die Spawnpunkte der Bosse teilweise zufällig.

So optimiert ihr euren Charakter Stück für Stück, um alle Facetten aus ihm rauszukitzeln. Aber auch um ihn PVP-fähig zu machen. Denn dort zählt jedes Detail, auch wenn wie bereits erwähnt die Ausrüstung nicht entscheidend ist, weil am Ende eh alle die gleichen Werte haben. Dadurch wird es aber natürlich zum große Nachteil wenn ihr nicht dieses Maximum erreicht.

Guild Wars 1 Ausrüstung

PVP

Neben eurem mühsam zusammen gesammelten PVE-Charakter gibt es im Spiel die Möglichkeit sich einen PVP-Charakter zu erstellen. Hier könnt ihr sofort jede Primär- mit Sekundärklasse verbinden. Um echte Spieler zu verkloppen müsst ihr also nicht mühsam jede Klasse hochspielen wie in anderen Spielen. Allerdings gibt es natürlich einen Haken.

Dazu hier etwas Historie. Anfangs war es nämlich noch so, dass ihr wirklich im PVE Skills und Ausrüstung freispielen musstet. Dann wurde aber das Belohnungssystem eingeführt. Wenn ihr gegen andere Spieler in den verschiedenen Modi kämpft, zu denen wir gleich noch kommen, bekommt ihr so genannte Balthasar Punkte. Mit diesen schaltet ihr die eben genannten Dinge für das PVP frei. Das spart jede Menge Zeit und macht auch deutlich mehr Spaß, da es fließend beim Spielen voran geht.

Modi

Neben diversen kleineres Modi, waren vor Allem der Turniermodus (später in Aufstieg der Helden (ADH) umbenannt) und die Königsdisziplin, die Gildenkämpfe (GvG) beliebt. Auf diese möchte ich hier auch etwas genauer eingehen.

Zusätzlich gab es für den kurzen Spaß zwischendurch noch Zufallsarenen (4vs4), Teamarena (4vs4 mit festem Team), Bündniskämpfe und Heldenkämpfe.

ADH

Im ADH kämpft ihr mit eurem achter Team durch, wenn ich mich recht erinnere acht verschiedene Karten bis ihr am Ende in der Halle der Helden landet. Die Karten sind durch verschiedene Aufgaben abwechslungsreich gestaltet. Von einfachen 1 gegen 1 Kämpfen, über 3er Kämpfe, King of the Hill bis zum so genannten Relic Run, einer Art Capture the Flag, ist alles dabei gewesen. Irgendwann wurden die Varianten leider verschlimmbessert und verloren viel von ihrem Glanz.

Die Halle der Helden war dann so aufgebaut, dass ein Team den Altar (King of the Hill) verteidigte, weil sie in der Runde zuvor die Halle der Helden bereits gewonnen haben. Die anderen vier Teams müssen erstmal 1 gegen 1 gegeneinander kämpfen. Es stehen sich als am Ende 3 Teams gegenüber. Eins verteidigt und zwei wollen den Altar einnehmen. Dazu muss der Geisterheld (ein starker NPC) des verteidigenden Teams getötet werden und der des eigenen Teams auf dem Altar positioniert werden. Die Geisterhelden spawnen zar alle zwei Minuten neu, so dass der Kampf bis zum Schluss spannend bleibt, aber ihr müsst gut auf diesen aufpassen um im richtigen Moment bereit zu sein. Der Sieger darf nächste Runde wieder ran, die anderen fliegen raus und fangen wieder von Anfang an.

Für die Gewinner gibt es mit etwas Glück wertvolle Skins. Aber nicht nur das Loot macht es spannend, aus eurem Weg in die „Halle“ erhaltet ihr mit jedem Sieg Ruhmpunkte. Je häufiger ihr hintereinander gewinnt desto mehr Punkte bekommt ihr pro Sieg. So entwickelte sich ein Wettbewerb darum wer am meisten Ruhm ansammeln konnte, noch angefeuert dadurch, dass es alle drei Ränge neue Emotes gibt. Diese werden jedes mal spektakulärer.

Es fängt mit einem Hirsch auf Rang 3 an, wird dann zum Wolf, dann der Tiger, ein Phönix und mit Rang 15 dann ein Drache. Ich hatte es in meiner aktiven Spielzeit bis zum Tiger gebracht. Auch dafür habe ich mir einige Nächte um die Ohren geschlagen und etliche spannende und vor allem extrem unterhaltsame Runden gespielt. Die Ränge sollen anderen Spielern die euch bisher nicht kennen anzeigen wie erfahren ihr bereits seid.

Guild Wars 1 Halle der Helden

Ich erinnere mich an nächtliche Kämpfe die so ausgeglichen und eng waren, dass ich mit meinem Team auch schon Mal eineinhalb Stunden gegen einen Gegner zu kämpfen hatte. Aus diesem Kampf letztendlich auch noch als Sieger heraus zu gehen war dann natürlich umso befriedigender.

GVG

Die eigentliche Königsdisziplin des Spiels. Hier kämpft Gilde gegen Gilde mit jeweils acht Spielern gegeneinander. Beide Seiten haben auf der Karte eine kleine Festung mit einigen NPCs und einem gut bewachten Gildenlord, den es zu töten gilt. Ich habe an dieser Stelle Kämpfe erlebt die über eine Stunde eng umkämpft waren. Bei ausgeglichenen Teams war ein Gildenkampf aufregend und manchmal regelrecht harte Arbeit. Dennoch war das Ganze unglaublich motivierend.

Es wird auf der Gildeninsel des in der Rangliste schwächeren Teams gekämpft. Die Inseln unterscheiden sich in ihrer Offenheit und den möglichen Wegen in die jeweilige Festung. Dadurch ergeben sich vor allem für das nominell stärkere Team immer wieder neue und unerwartete Situationen auf die es sich einstellen muss. Denn in der Regel wird die Gildeninsel passend zur eigenen Taktik festgelegt.

Der Gewinner eines Gildenkampfs erhält je nach Ranglistenposition des Gegners Punkte und der Verlierer verliert entsprechend selbst Punkte. Um die oberen Positionen der weltweiten Rangliste wurde also immer hart gekämpft. Aber auch als Spieler gibt es beim Kämpfen in den oberen Regionen Champion Punkte die eure Erfahrung in Gildenkämpfen beweisen sollen.

Zu den Hochzeiten von Guild Wars wurden richtige Weltmeisterschaften zwischen den Gilden ausgespielt. Ich schaffte es mit meiner damaligen Gilde einmal bis ins Viertelfinale, was sicherlich mein größter Erfolg war. Dazu kommen noch Top10 Platzierungen in der Rangliste mit zwei Gilden. Das Niveau war damals sehr stark und Guild Wars damit ein waschechter E-Sport Titel.

Kann man das heute noch spielen?

Guild Wars kann heute noch zu Mindest bei ArenaNet direkt online erworben werden und ist noch ohne weitere Kosten spielbar. Die Grafik ist wie anfangs erwähnt natürlich ziemlich veraltet, aber noch zumutbar. Es ist allgemein kaum noch etwas los im Spiel und es wir auch nicht mehr weiter entwickelt. Die meisten PVE Missionen lassen sich einigermaßen alleine bzw. mit NPC Gefolgsleuten lösen. Mit ein Paar Freunden zusammen kommt aber auch heute noch Spaß auf.

Wie es im PVP aussieht ist schwierig zu sagen. Durch die geringe Spielerzahl ist davon auszugehen, dass hier nur noch eine kleine Gemeinschaft spielt. Entsprechend schwierig dürfte es werden als Neueinsteiger Fuß zu fassen. Aber auch wenn ihr schafft acht Freunde zusammen zu bringen kommt wohl ziemlich sicher dieser alte Glanz nicht mehr auf.

Schaut doch auch mal in meinen Artikel zu Lieblingsorten in Videospielen. Auch dort taucht Guild Wars auf und wird dort von einer anderen Seite betrachtet. Zusätzlich möchte ich euch hier noch den Blick in den zweiten bisher erschienenen Retrospektive Artikel empfehlen: Retrospektive – Aion